AK-Exit sieht sich weder als Plattform der reinen
Darstellung mit subjektiver Normenvorgabe noch als weitere New’s unter vielen,
zur Bedienung von Phantasmagorien und der menschlichen Einordnung nach einer
ideologisch und gesellschaftlichen Momentaufnahme. Der Arbeitskreis ehemaliger
Extremisten im Aussteigerprogramm Exit (AK-Exit) beschäftigt sich mit den
Ansätzen der Psychologie, der Soziologie und der Politikwissenschaft zum
Phänomen Rechtsextremismus und nutzt die individuellen Erkenntnisse sowie einen
neu geschaffenen Wirklichkeitssinn der Aussteigerinnen und Aussteiger um mit
derer Situationsanalyse in die Szenen der extremistischen Parallelgesellschaft
gleichermaßen zu wirken, wie in die geschlossenen Lebenskonstrukte
ideologischer Matrizen. Neben dieser Wirkung nach außen findet aufgrund der therapeutisch
sinnvollen Offenlegung der einzelnen Schlüsselerlebnisse aus der aktiven
Vergangenheit und den Gedankenwelten zu aktuellen Strategien und Geschehnissen
des Rechtsextremismus auch eine geistige Auseinandersetzung mit der vertretenen
Ideologie, der praktizierten Weltanschauung sowie des geprägten Menschenbildes
statt, welche einen Aussteiger erst zum ehemaligen Extremisten formt und
nachhaltig in die demokratische Werte- und Normengemeinschaft (re)-integriert.
Der psychologische Ansatz wirft z.B. einen Blick auf
persönlichkeitsbezogene Merkmale des einzelnen als auch von Gruppen. Diese sind
im Extremismus anders als pauschal verbreitet, durchaus verschieden. Es geht
oft nicht um rein historisch ideologisch geprägte Überzeugungen als eher um
ausgesprochen negative soziobiographische Hintergründe. Aussteiger, die durch
ihre Gewaltaffinität zum Extremismus fanden, analysieren so ihre eigene psychosoziale
und intellektuelle Entwicklung um sie in ihrer Selbsterkenntnis aktuell aktiven
Extremisten vor Augen zu führen. Auch charakterliche und
geschlechterspezifische Unterschiede ergeben sich aus der Verschiedenheit der
Berichte.
AK-Exit verarbeitet neben dem Individuellen auch das
gesellschaftliche Umfeld mit seinen vielfältigen Einflüssen um daraus
entsprechende Handlungsstrategien und Kompetenzen zu entwickeln, welche
gesellschaftlich vorbeugen können. Gesellschaftliche Veränderungen in ihrer
derzeit rasenden Geschwindigkeit haben eine zunehmend Identität stiftenden
Wirkung, welche schwer unterschätzt wird und in die Ausprägung des eigenen
Selbstwertgefühls eingreift. Der Arbeitskreis macht so in die Szene hinein
deutlich, wie z.B. Verunsicherung und Ersatzsuche für (vermeintlich) verloren
gegangene kollektiven Identitäten entstanden sind und wie sie die Rekrutierer
des Rechtsextremismus nutzen um durch Manipulation neue Realitäten zu schaffen.
Auch ehemaligen Extremisten waren zum Teil einmal
Rekrutierer und nutzten besonders die medialen Möglichkeiten. Politikwissenschaftlich
berichtet AK-Exit, wie die Gesellschaft die „Wirklichkeit in der Gesellschaft“
tatsächlich wahrnimmt und darauf reagiert bzw. wie man diese Wirklichkeit
perfide steuerte um Meinungen zu schaffen. Die Akteure der Website aber auch Projekte
von Exit-Deutschland, wie „Hass hilft“ oder „Rechts gegen Rechts“ sind aktiv in
den sozialen Netzwerken unterwegs um diese Strategeme aufzudecken und
abzuschwächen.
Extremistisches Gedankengut kommt wie der bekannte
Computervirus durch Hintertüren. Diese Seite ehemaliger Extremisten kann
vorhandene Schutzprogramme verbessern und neue Firewalls aufbauen um die
gesellschaftlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Dabei entwickeln sich
Website und Akteure gleichermaßen weiter, wovon unsere Gesellschaft so viel
Nutzen ziehen kann, dass sie den Rechtsextremismus real und nachhaltig
schwächen kann.
Maik Scheffler