Nur Belehrung für
Lehramtsstudenten? – Von wegen. Maik Scheffler (44) war Spitzenfunktionär
der NPD. Er weiß, wann Schüler für rechtsradikales Gedankengut anfällig sind.
Oldenburg Er ist klug und freundlich. Er ist charmant und
sieht gut aus. Und er war ein Nazi und hoher NPD-Funktionär.
Maik Scheffler (44) ist ein Aussteiger aus der
rechtsextremen Szene. Vor vier Jahren hat der Sachse die NPD verlassen, seit
drei Jahren tourt er mit seinen Erfahrungen durch Schulen. 85 sollen es schon
sein, sagt er stolz.
Am Freitagmittag war er Gast eines Pädagogikseminars der Uni
Oldenburg und berichtete vor vollen Reihen aus Lehramtsstudenten und
interessierten Bürgern in der Kulturetage – an einem sehr deutschen Tag, am 9.
November.
Chaos der Wendezeit
Das kahle CineK der Kulturetage ist passend in Schwarz
gehalten. Scheffler selbst trägt auch viel dunkel und referiert locker und
rhetorisch brillant aus dem wohlfrisierten Kopf („ein erster Freund nach meinem
Ausstieg war ein Orientale – mein Barbier“). Der Leipziger setzt auf Prävention
und sieht besonders die deutschen Schüler der 8. Klassen für rechtsradikale
Ideologien gefährdet.
Warum? „Weil erst in der neunten Klasse der
Nationalsozialismus durchgenommen wird!“
Scheffler war 17 Jahre lang Extremist. Er wuchs im Chaos von
Mauerfall und Nachwendezeit auf. Existenzielle Ängste wurden unter ehemaligen
DDR-Bürgern kräftig geschürt. Auf dem Dorf plärrte der dumpfe Rechtsrock,
„Kameradschaften“ bildeten bald etwas Halt, erfahrene NPDler sorgten für eine
schleichende Radikalisierung, bald wurde er als „politischer Soldat“
rekrutiert. Zügig hat er dann ein großes Nazi-Netzwerk aufgebaut, und
irgendwann ist er ganz oben gelandet – als stellvertretender Landeschef der
NPD, die im sächsischen Landtag hockt.
Das war längst nicht die billige Grölerei von hirnlosen
Glatzköpfen, die da agierten. Da waren, erinnert sich Scheffler, auch
Intellektuelle und Geschäftsleute in der Partei.
Und wann kam der
Knackpunkt?
Scheffler stieß auf das nationale Ausstiegsprogramm Exit.
Sein Mentor, ein sehr hoher NPD-Funktionär, hatte zudem eine Frau übel
belästigt. Folglich gab es Zweifel am Förderer und bald an der Partei. „Hinter
jedem Extremisten steckt ein Mensch“, sagt er heute. Scheffler entdeckte den
Menschen in sich, hinterfragte Parolen, blinden Hass und blöde Flugblätter. Er
stieg aus. Plötzlich wurde es einsam um ihn. Er war eine Persona non grata.
Aber er hatte Glück: Kein Reifen wurde ihm nach dem Ausstieg aufgeschlitzt,
keine Schüsse blindwütiger Rächer landeten im Wohnzimmerfenster.
Kein cooler Charakter
Monatelang diskutierte er mit Präventionsspezialisten und
Sozialarbeitern. Scheffler lernte, was Immanuel Kant schätzte: dass
Selbst-Denken. „Ich liebe die offene, demokratische Gesellschaft“, gibt er sich
aktuell gut geheilt.
Sieht er die AfD als
Nazipartei, wie es manche tun, wird er aus dem Publikum gefragt.
„Vorsicht“, sagt Scheffler. „Das ist eine große Gefahr, das
einfach so zu sagen.“ Allerdings sieht er einen „riesengroßen Flügel mit Nazis“
in der AfD. „Und wenn der mal die Macht übernimmt, wird es richtig gefährlich
werden.“
Ist Scheffler der
edle Vorzeigeaussteiger, der smarte Mann für die TV-Talkshows?
Er wirkt ein wenig so. Doch er gibt sich bescheiden. „Ich
will weiter das Leben eines Demokraten lernen“, sagt er authentisch. Er
versteht die Zweifel an seiner Person, bleibt da ruhig. Ihn treibt innerlich
etwas an, er möchte was vermitteln: „Ich will den Nazis den coolen Charakter
nehmen, die NPD ist nicht cool“, betont er. Und das ist nun wirklich, um es mit
einem Lieblingswort von Bertolt Brecht zu sagen, vernünftig.
Quelle:NWZ-Online