Ein Film feiert Premiere, welcher sich teils aus tatsächlichen Begebenheiten speist, in denen Exit-Deutschland eine grundlegende Rolle spielte, welche die damaligen Beteiligten emotional noch heute nicht loslässt. Die kleine Elsa und gleichzeitig spätere Mutter von Marit steht in diesem schockierenden und dennoch absolut realistischen Drama für den Lebens- und Leidensweg von Kindern, deren Erziehungsformen auf Grundlage einer nationalsozialistischen Weltanschauung und deren Ideologie basieren.
Was mit spannendem Helden Epos über starke Germanen, die schönste Heimat auf der Welt und die überragende Stellung der eigenen Herkunft und Kultur begann, endete über apokalyptische Gefährdungsbilder und einem antiuniversalistischen Menschenbild in einer irrationalen Angst, welche auf Grundlage der Ideologie alles legitimierte, was sich mittels Hass und Gewalt in offener Ablehnung gegenüber allem Fremden entlud. Am Ende stand Exit-Deutschland und einer der bewegendsten Fälle in der Arbeit der Bundesinitiative für Aussteiger aus dem Rechtsextremismus.
Die kleine Elsa ist ein Paradebeispiel des soziologischen und psychologischen Werdeganges von Kindern, welche in aktiven und organisierten rechtsextremistischen Familien aufwachsen. Vom ewiggestrigen Großvater wie ein Hund abgerichtet, muss Elsa schon früh lernen, wie sich deutsche Tugenden wie Stolz, Ehre und Durchhaltevermögen anfühlen. Ein Germane kennt keinen Schmerz, er gibt nicht auf, er zeigt keine Schwäche. Emotionen sind ausschließlich mit der Ideologie verknüpft, welche sich nur in den Reihen der eigenen Art wiederspiegelt. Götz Kubitschek, der rechte Vordenker der neuen Rechten unterstreicht diese Form der geistigen und körperlichen Ertüchtigung indem er sich im Film eine „gerahmte Kindheit“ zurücksehnt, wo es wichtig ist, wie du gehst, wie du grüßt, wie du deinen Teller leer isst. Der österreichische Sprecher der Identitären Bewegung, Martin Sellner erinnert sich an seine eigene Kindheit, welche Belohnung nur dann kannte, wenn die Leistung gemäß den väterlichen Parametern erbracht wurde. Das ist auch der Grund, warum sogenannte Patrioten und Rechte enorm viel Gewicht dem Stolz auf die germanischen Leistungsträger beimessen, seien es die real existierenden oder aber auch nur die aus den Sagenwelten der Edda.
Jeden Tag eine gute Tat für Deutschland
Elsa, wie auch später ihre Tochter Marit lebten in dieser gerahmten Kindheit, in der nur eine einzige Wahrheit existierte, welche aus ihren Gegensätzlichkeiten, Feindbilder schuf. Getreu dem Motto: „Jeden Tag eine gute Tat für Deutschland“ exerzierte die mittlerweile heranwachsende junge Frau gemeinsam mit ihrem ebenfalls extremistischen Freund diese gerahmten Wertbilder nahezu täglich. Als Kind malte sie Hakenkreuze in ihr Schulheft und nun ging es in Gewalt an Fremden über. Während Elsa Anwesenheitsgewöhnung Fremder durch verweigerte Empathie verhinderte und sich für die ethnische Säuberung aussprach, zündelte ihr Freund und späterer Vater ihrer Tochter Marit, Asylheime an. Nachdem Marit auf die Welt kam, isolierte sich die junge Familie in einer sektenähnlichen Artgemeinschaft, um vermeintlich sicheren Lebensraum zu finden. Diese Sicherheit stellten sie dabei unter die klare Hierarchie unter zeremonieller Einschwörung auf die nationalsozialistische Weltanschauung.
Diese Artgemeinschaften gibt es heute noch. Ihre Namen und Organisationsformen sind meist verboten, was aber ihrem Wirken keinerlei Abbruch bringt. Ob die Heimattreue Deutsche Jugend oder die Gemeinschaft zur Bewahrung von Rasse und Kultur und vieles mehr, laut Einschätzung von Dr. Bernd Wagner als Mitbegründer von Exit-Deutschland, eint diese Gruppen die Einteilung des Menschen in Merkmale nach sozialdarwinistischem Züchtungsgedanken. Diese völkischen Gruppen verstehen sich als Vertreter eines Artgedankens. Götz Kubitschek meint an dieser Stelle, dass sich das „Deutsche“ als eigener Ausdruck in der Welt manifestiert habe und alles andere umgibt es nur. Es gilt für die neue Rechte, diesen eigenen Ausdruck nicht nur zu erhalten, sondern auch auszubauen. Mit der konsequenten Erziehungsform gemäß diesen Maßstäben, werden die Kinder als Eigentum ihrer völkischen Eltern zu kämpferischen Bewahrern und Missionaren erzogen.
Ausstieg ist nie einfach
Im „Arbeitskreis ehemaliger Extremisten“, welcher unter Exit-Deutschland gegliedert ist, kennt man diese Fiktion vom letzten Retter für Deutschland nur zu gut und die Ausgestiegenen erinnern sich inhaltlich nahezu einhellig daran, wie oft Realität und Fiktion konsequenzreich aufeinanderprallten. Wenn der natürliche Drang, sich individuell zu entfalten und zu lieben, auf dem unerbittlichen Altar der Ideologie geopfert wird, entstehen innerliche Kämpfe, welche oft in schweren psychischen Belastungen ihren Ausdruck finden. Bei Elsa und Marit war es die Geburt des behinderten Jungen und Bruders. Die mütterliche und schwesterliche Liebe stand dem Reinheitsgedanken der Artgemeinschaft brutal gegenüber und die propagierte Ungleichheit zwischen den Menschen durchbrach das vermeintliche sichere Lebensumfeld. Während der Vater Marits, als mittlerweile stark fanatische Überzeugungstäter hinter dem einstigen Schwur der Artgemeinschaft stand und die Unreinheit seines Sohnes ebenso ablehnte wie die individuellen und kindlichen Wünsche seiner Tochter, wurde aus der eigentlich völkisch-extremistischen Elsa die schützende Mutter. Ein Martyrium, in welchem der Ausstiegsgedanke erwuchs, den die Mutter ausschließlich mit der Liebe und Kraft ihrer Kinder in die Realität umsetzte.
Ausstieg ist nie einfach und immer an ein hohes Maß an Fleiß in der eigenen Auseinandersetzung mit sich selbst, seiner Weltanschauung und Ideologie gebunden. Die Auseinandersetzung mit den ehemaligen Mitstreitern und Schwurabhängigen verläuft unterschiedlich in Grad der Gefährdung und Lebensraumsicherung. Mit Kindern auszusteigen und zudem noch aus einem völkisch-nationalistischen Familiengeflecht, ist die größte Herausforderung für Ausstiegshilfen und zugleich eine psychische Belastung für Kinder, welche einem wahnhaften Verfolgungsdruck der im Extremismus verbliebenen Familie ausgesetzt sind, welcher im schlimmsten Fall zerstörend ist. Für Marit endete die „gerahmte“ Kindheit mit dem frühzeitigen Tod. Mutter und Sohn haben den Ausstieg geschafft. Verloren aber hat in diesem Drama nicht nur Marit, sondern die ganze Familie. Die einen sind schuldig, die anderen Opfer. Wer was, wann war oder zu wem wurde, ist oft nicht mehr nachvollziehbar. Exit-Deutschland weiß aber sicher: Extremismus kennt keine Erziehung, er erschafft böses, dramatisches und lebensverachtendes an unseren Kindern. Dieser Film klärt darüber auf und Exit-Deutschland feiert ihn dafür.
Maik Scheffler
zum Film
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