Der Aussteiger als offenes Fenster in die Organisation
Hinter dem Kampf gegen „Rechts“ verortet man für gewöhnlich drei Säulen einer
Strategie in der Zerschlagung rassistischer, chauvinistischer als auch
antisemitischer Strömungen und Organisationen. Der zivilgesellschaftliche
Aufstand gegen jegliche rechte Plattformen ist eine dieser Säulen, Aufklärung
und Bildung über rechte Ideologie und Weltanschauung eine weitere, das
Herauslösen von Aktivisten/innen und die Wiedereingliederung in die
demokratische Gesellschaft sollte als dritte Säule auch eine der wichtigsten
sein, wenn man nicht nur bekämpfen sondern auch nachhaltig reintegrieren will.
Leider findet ein Einbeziehen rechter Aussteiger in die Prozesse zu wenig bzw.
mit zu wenig taktischer Notwendigkeit statt. Der Prozess selbst deklariert sich
somit zum bloßen Aktionismus und
schwächt oftmals unbewusst gar den Ausstiegswillen der Zweifler.
Gerade bei Schülern und Jugendlichen, welche für extreme
Parteien das fruchtbarste Rekrutierungsklientel darstellen gilt, „verbotene
Früchte schmecken am besten“. Das bloße Warnen und Verbieten wird somit niemals
ausreichend den Effekt erzielen, den sich Ämter, Organisationen und Parteien
wünschen. Die Propaganda der NPD, ihrer
Jugendorganisation als auch der „Freien Kräfte“ ist zudem auf die
Vorgehensweise im Kampf gegen rechts eingestellt und integriert diese Methoden entsprechend nachhaltig und oft erfolgreich in
die Rekrutierung ein. Die Zivilgesellschaft kann plausibel darstellen, warum
eine politische Strömung bekämpft werden muss. Im Gegenzug kann aber auch jede selbsternannte
Opposition ebenso plausibel machen, warum sie bekämpft werden soll. Die Für und
Wider gegeneinander logisch aufzuwiegen, vermag weder der Jugendliche noch der
orientierungslose „Wutbürger“ und somit folgt in der Konsequenz -In dubio pro
reo-.
Ein Aussteiger hingegen wird stets der Kronzeuge sein,
dessen Aussagen ausschließlich die ehemals eigene Partei oder Organisation
belasten können und ihre Glaubwürdigkeit durch die Zugehörigkeit zementieren.
Die Frage sollte sich stellen: Verbietet man das Rauchen durch Nichtraucher
oder zeigt man mit einer schwarzen Lunge die verschiedenen Elemente der
Konsequenz?... Der Aussteiger ist der Beweis in der Argumentation, den man bei
einem Außenstehenden vergeblich suchen wird. Der nachhaltige Eindruck, den potentielle
Rechts-Rekrutierungsopfer bei einem Szeneaussteiger erhalten, welcher das
Verpfuschen seines Lebens bildlich macht, welches ihn durch kriminelle Aktionen an den Rand der
Gesellschaft geschwemmt hat ist gleich viel wert, wie die neue Blickrichtung
eines politisch frustrierten „Wutbürgers“ oder „Pegidianers“ der durch einen
Aussteiger aus den Führungs- und Strategie Etagen einen Blick hinter die
Fassade der Organisationen bekommt, wohinter sich außer Überschriften und
Parolen kein tragfähiges und gesellschaftsoffenes Konzept verbirgt, geschweige
denn eine bundesweite Alternative.
Der erfolgreiche Kampf gegen „Rechts“ wird ohne das nötige
Profiling der Protagonisten durch
ehemalige Insider und ohne ein offenes Fenster in Strukturen hinein durch Aussteiger
aus exponierten Positionen nicht nachhaltig und umfänglich praktiziert werden
können. Das Herauslösen wichtiger Akteure und Denker wird nur dann gelingen,
wenn selbige in der Welt außerhalb ihrer politischen und weltanschaulichen
Isolation auch eine alternative Welt vorfinden, wo sie nicht nur in die
Erfolgsstatistik der anderen einfließen sondern wo auch hingehört wird, was sie
zu sagen haben. Und das, was sie zu sagen haben ist oft der Schlüssel im Kampf
gegen „Rechts“.
Maik Scheffler